Romanauszüge aus "Reichsparteitag"

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In der Küche das gleiche Bild, die Anrichte nahezu leer, wenig Geschirr. Die wird ja in der Wirtschaft ihr Essen gehabt haben, dachte sich Scheuerlein, aber keine Post - nichts, kein Papier? Ordentlich den Bettbezug über das Doppelbett im Schlafzimmer gezogen, das letzte Mal, daß sie das in ihrem Leben gemacht hatte. So banal. Ein Schrank.

Wäsche, schöne Sommerkleider. Wie im Schaufenster eines Möbelgeschäftes; er wollte irgend etwas sehen, was die Gunda als Mensch vor ihm erstehen ließe, dachte er. Hier war nichts. Auch Züge schüttelte den Kopf. "Gehen wir?" fragte er. Scheuerlein nickte nur, bewegte sich zur Türe und sah nach, ob die Hauswartsfrau noch draußen stand, wie sie es ihr bedeutet hatten. Sie war weg. Er drehte sich um und winkte Züge ins Wohnzimmer und bat ihn sich hinzusetzen.

"Was meinen Sie?" fragte er.
"Hier ist schön aufgeräumt, anders als bei uns zu Hause. Fast zu gut."

"Wie im Schaufenster eines Möbelhauses, ich hab's mir auch gerade gedacht. Da gibt es jetzt zwei Möglichkeiten: Sie hat - oder nicht. Welchen Grund soll sie aber gehabt haben, alles derart gebügelt zu hinterlassen, die Schwiegermutter wird sie ja wohl nicht erwartet haben. Möglicherweise habe ich da einen Fehler gemacht, gestern".

"Und jetzt?" ließ Züge sich vernehmen, deutlich mit Unmut in der Stimme.
"Wir fragen die Hauswartsfrau noch ein bißchen aus. Vielleicht weiß die was. Die wissen immer alles, fast."
Sie gingen mit dem Schlüssel nach unten.

Nein, so eine ordentliche Person, und immer die Hausordnung, gab die heraus, gefragt, ob sie etwas sagen könnte. Und immer Arbeit. Am freien Tag zu Hause oder spazieren am Dutzendteich. Sonst nichts. Keine Männer. Eine Musterfrau, das Fräulein. Wie schön.

Das war's also nicht, wohl auch politisch waren die beiden einer Meinung gewesen. Vorbehaltlos beurteilte die Hauswärtin die Ermordete positiv, fast schon zuviel. Scheuerlein meinte, man müßte noch jemand in diesem Haus befragen, was aber nicht ganz einfach war, denn aufgrund des Vormittags war kaum jemand zu Hause.

Die Wohnungstüren klingelten Sie einfach durch, drei pro Stock. Dort in der rechten Türe trafen Sie auf einen alten Mann (Der hat schon gewartet, nichts zu tun?), wohl Rentner, der es nicht so mit der Morgentoilette hatte, wie es den Anschein machte. Er roch. Dafür sprudelte es aus ihm hervor, "daß die Mack fast nie die Hausordnung gemacht hat, die war ja fast nie da! Und wir haben dann nachputzen dürfen. (Du hast bestimmt nicht geputzt, du schaffst es ja nicht einmal bei dir, überlegte sich Scheuerlein, während er den Schwall über sich ergehen ließ.) Einmal hat die sogar zu mir gesagt, so wie sie aussähe, könne sie gar nicht putzen."

Sein Gesicht verzog sich haßerfüllt. Die Energie allein dieser Aggression hatte man ihm gar nicht mehr zugetraut. Der Rentner fuhr aber fort.

"Dann soll sie sich doch eine Putzfrau leisten! Aber man bekommt ja keine. (Richtig, dachte Scheuerlein!) Also hat sie's gelassen. Und einmal hab ich Papierschnitzel auf dem Dachboden verstreut, damit mans sieht, daß sie nichts gemacht hat, die hat die mir doch glatt in den Briefkasten gesteckt! Stellen Sie sich das einmal vor! Faul war die - glatt ein Volksschädling! Die hätte in ein Arbeitslager gehört. Für das Deutsche Volk war die völlig nutzlos. Eigentlich nicht schad um die."

Züge und Scheuerlein sahen sich an, verzogen die Gesichter zu einer Grimasse mit hochgezogener Nase, als der Alte die Türe geschlossen hatte und sich laut hörbar entfernte.

"Da kann man nur froh sein, wenn man hier nicht wohnt", meinte Züge erleichtert.

(...)
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