Romanauszüge aus "Luftlage"

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Fackelzug

Hinter der Verdunkelung des Bratwurströsleins hörte man Stimmen bis auf die Gasse. "Ich darf vorgehen?" meinte Scheuerlein und griff zur Klinke. Schwaden von Rauch eher billigerer Sorte drangen nach draußen, umhüllte sie. Der Raum war größtenteils mit Zivilisten gefüllt, wenige SA - Leute saßen hier. Keine Soldaten.

In der hinteren Ecke, nicht weit vom Ofen fanden sie einen freien Tisch, sauber mit weißem Leinen gedeckt. Sogar zwei Semmeln lagen in einem Körbchen bereit. Sie setzten sich, wieder legte Züge seinen Mantel über die Stuhllehne, hängte diesen nicht an die Garderobe, für die "nicht gehaftet" wurde.

"Sie können sich wohl von Ihrem Mantel nicht trennen - so schön ist der doch auch wieder nicht, Herr Kollege?"

"Schon, aber ich habe ihn lieber bei mir", sagte er und rutschte sich auf dem Holzstuhl zurecht. Die Orden klimperten wieder. "Daß Sie die Blechdinger offen tragen, wundert mich schon, wissen Sie."

"Ja - weil. Das ist so. Die Orden. Also. Wenn man die da auf dem Mantel trägt, da wo ich war, dann sichert das schon einen gewissen Respekt bei der Kundschaft. So ist das. Hier ist das sicher anders ... soll ich die runtertun?"

"Nein, wenn Sie's schön finden, dann lassen Sie nur. Aber, wen meinen Sie mit ‚Kundschaft'? Ich dachte, Sie waren an der Front?"

"Bitte, Herr Scheuerlein. Nicht jetzt. Lassen Sie uns den Abend genießen. Bitte."

Der Ober stand plötzlich neben Ihnen, beide hatten ihn nicht beachtet.

"Meine Herren, Sie wünschen? Viel kann ich Ihnen nicht anbieten, ein Bier aber sicher für jeden?"

"Das geht klar. Und zu Essen, was haben Sie da?"

"Nürnberger. Mit und ohne Kraut. Sogar Kartoffelsalat, aber nicht mit Mayonnaise sondern mit Joghurt. Wegen der Fettlücke. Ich müßte aber trotzdem vorher sehen, ob Sie genug Fleischmarken dabeihaben, je nachdem wie viele Nürnberger Sie haben möchten! Entschuldigen Sie!"

Scheuerlein nestelte in der Innentasche seines Jackettes und zog seine Fleischkarte hervor. Sie war für Dezember noch fast voll.

"Das reicht, oder? Herr Züge, seien Sie mein Gast!"

Züge zierte sich nicht, quittierte mit einem Lächeln und "Danke, Herr Scheuerlein!"

"Also zweimal zwölf mit Kraut, oder?"

Züge nickte bedächtig, spielte dabei mit dem Besteck, das in Servietten eingewickelt in dem Becher aus Steingut mit blauer Salzglasur stand. Der Ober entfernte sich.

Scheuerlein blickte zur Theke, hinter der sich der Ober jetzt zu schaffen machte, die Leuchtreklame im Bogen über ihm blinkte "Lederer - Biere", mit Krokodil und diesem offenen Rachen des Tieres, fast konnte man meinen, dies sei ein Lächeln. Oder genau das Gegenteil. Die Neonröhre schien kaputt zu sein.

"Ja", begann Züge. Scheuerlein betrachtete ihn interessiert.

"Kommen gleich, die Biere!"

"Schön, danke!" entgegnete Scheuerlein über die Tische hinweg. "Ja ..." Züge blickte leer vor sich hin. "Ist sehr anders hier. Genauso wie früher, meine ich. Aber anders für mich. Unwirklich. Alles hat seinen Gang. Und dabei ..."

"Was ist?"

"Ja, wo soll ich anfangen. Reden darf ich eigentlich sowieso nicht. Aber irgendwie muß ich. Wissen Sie, Herr Scheuerlein, wir waren da nicht normal, wie Sie vielleicht meinen."

"Nicht normal? Sie?", versuchte Scheuerlein einen Scherz, ließ es aber, nachdem er Züges Gesicht lesen konnte, fragte nach. "Wo?"

"In der Ukraine. Drei Jahre. Und was haben wir gemacht? Polizeiarbeit war es keine. Hatten wir zuerst auch gedacht, aber war's nicht."

"So, die zwei Bier, bitteschön. Die zweimal zwölf brauchen noch, viertel Stunde vielleicht! Wohl bekommts!"


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