Romanauszüge aus "Luftlage"

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"Vergessen Sie's. Damit muß ich alleine klarkommen. Die anderen schaffen das doch auch. Ich werde nur den Verdacht nicht los, daß ich mit Absicht dahin gesteckt wurde. Das war noch nicht alles, was ich erzählen wollte. Wissen Sie, wen ich bei Brest gesehen habe? Da mußten wir, die Polizeikompanie Nürnberg, das Ghetto räumen. Das sieht da aus, na so wie bei uns die Straßen in der Südstadt, Ziegelbauten im Hinterhof, zur Straße hin verputzt, grau. Da sehe ich einen höheren Haufen, schaut aus der Entfernung aus wie Klamotten, denke ich. Ich gehe näher hin und will mir das ansehen. Daneben postiert deutsche Uniform. Wie ich rankomme, erkenne ich den Grafenberger breitbeinig danebenstehen, unseren Kriminalrat, Sie erinnern sich doch? Er erkennt mich, grinst breit und sagt ‚Na Züge, wie sich's fügt. Doch auch hier bei der Arbeit? Schön, daß wir die gleiche haben. Übrigens: Das hier ist noch nicht fertig. Machen Sie's!' Ich war erst so auf ihn fixiert, daß ich gar nicht mehr auf den Haufen geachtet habe. Und wie ich hinsehe, sind das lauter Kleinkinder, einige bewegen sich noch. Grafenberger grinst und sagt ‚Nur zu! Dafür sind Sie hier, zum Lernen!' grinst wieder und dreht sich um, bleibt aber in zehn Meter Entfernung stehen. Ich zögere, kann das nicht. Die vor mir liegen, sind nicht leise. Er schreit, ob ich den Befehl nicht ausführen wollte. Wartet dann mit zynischem Gesicht, bis ich alles gemacht habe. Nach den paar Minuten winkte er noch und ging. Und ich glaube, daß der uns nie vergessen hat, der wollte mich da mit reinziehen. An Sie kam er nicht ran. So sehe ich das."

"Herr Züge - wenn das so ist, dann ist das ein Skandal. Da müßten wir ..."

"Ach Herr Scheuerlein. Da war ja nicht nur ich von den Nürnbergern. Auch SchuPo war dabei, die, die sonst den Verkehr am Plärrer regeln. Und da werden die auch wieder stehen, das ist sicher. Da gibt es sicher einen objektiven Grund, warum ich dabei war. Wir brauchen jetzt keinen Staub mehr aufwirbeln - das wäre nur ein neues Problem. Außerdem: Von dem Grafenberger habe ich seither nichts mehr gesehen. Nur gehört habe ich noch, daß er Transporte von Franken aus mit Juden in den Osten geführt hat. Sonst nichts. Und wo er jetzt steckt, kann ich Ihnen nicht sagen, bestimmt."

"Gut. Aber wie kann ich Ihnen persönlich helfen?"

Beide hatten von ihren zwölf Würstchen noch fünf übrig. Züge starrte auf seinen Teller.

"Na, schmeckt's?" rührte sich der Ober wieder von seiner Position aus hinter dem Tresen.

"Ja, danke. Sehr gut", gab Scheuerlein zurück. Etwas abwesend.

"Noch ein Bier? Sie haben doch nichts mehr?"

"Auch. Zwei. Danke!"

Die anderen Gäste im Lokal waren lauter geworden, es war die übliche Stimmung am Freitagabend, kurz vor dem Wochenende, mit Hallo. Scheuerlein konnte sicher sein, daß niemand etwas mitbekommen hatte. Ab und an war eine Strophe deutsches Liedgut zu hören, aber nicht mehr so laut wie früher. Die morschen Knochen waren auch dabei.

Züge starrte geradeaus.

"Herr Scheuerlein? Ich trau mich nicht mehr nach Hause. Ich kann das alles dort niemals erzählen. Aber meine Frau fragt schon dauernd, warum ich so abweisend bin. Und warum ich nichts von draußen erzähle. Was mach' ich da bloß?"

"Jetzt essen wir erst einmal fertig. Dann trinken wir noch ein Bier. Und was halten Sie davon, wenn ich noch auf einen Sprung mit zu Ihnen komme? Das lockert dann vielleicht die Stimmung, was meinen Sie?"

""Warum nicht. Dann bin ich nicht so allein."


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